Thursday, February 11, 2016

Tatort Freiburg


O.k. Ich glaube, ich muss mich hier mal outen:

Ich bin passionierter Krimifan. Nicht so sehr das Grausame, Blutige und die Sensationslust, sondern das gepflegte Rätsel und die Psychologie der Charaktere interessieren mich, also eher Klassiker wie Agatha Christie und Arthur Conan Doyle, aber auch Autoren wie Martha Grimes. Daher hatte ich viel Spaß beim Dreh in Achim Freunds Krimi "Rotkäppchen Todschnäppchen".

Rotkäppchen ist ein Stoff, der sehr gut in unsre Zeit passt: die Verführung. Der Verführer ist in diesem Fall ein Immobilien Hai, der sich ein "Filetstückchen" einverleiben will und zwar auf blutige Weise. Sein Ziel erreicht er durch den Einsatz der richtigen Reize. Er weiß genau, worauf seine Opfer anspringen und dass sie ihren gewohnten Pfaden folgen werden.

Kennen wir das nicht alle, Versprechungen? Und am Ende war doch alles gelogen. Und dennoch fallen wir drauf rein und am Ende sagen wir oft: "Hab ich's doch gewusst!" Warum lassen wir uns trotzdem einwickeln?

Verführt werden ist prinzipiell eine gute Sache. Verlockungen nachzugeben liegt in unserer Natur. Auf diese Weise entwickeln wir uns weiter, entdecken Neues, lernen, schöpfen unser Potenzial aus und erhalten den notwendigen Vorsprung in der Evolution. Mehr noch, solche Anreize spornen uns oft zu Höchstleistungen an.

Und doch haben wir meist ein schlechtes Gewissen, einer Verlockung nachzugeben. Das liegt daran, dass es verschiedene Reize gibt. Es ist ein sehr wichtiger Entwicklungsprozess für uns, die "falschen" von den "richtigen" Anreizen zu unterscheiden. Dies ist ein Lernprozess, auf den in unserer Gesellschaft nicht richtig oder nicht genügend geachtet wird, weil die Wirrungen unserer Gefühle für den finanziellen Profit einzelner sehr praktisch sind.

Wir wollen verführt werden, wir hoffen es oft sogar und das ist gut so. Aber an den Stellen, wo es uns gut täte, trauen wir uns nicht "ja" zu sagen, wir könnten ja scheitern. Es erscheint uns zu groß, wir sind es nicht Wert, es ist zu kompliziert und sehr früh lernen wir so, den "Ball flach zu halten". Und deshalb sind wir dann an anderen Stellen, wo es weniger aufwendig, preiswerter ist, weniger Risiko hat oder auch weniger auffällt, allgemein akzeptiert ist, bereit nachzugeben. Wir suchen dann nach logischen Argumenten, machen einen faulen Kompromiss, reden uns ein, dass wir das ja brauchen, dass es besser ist. Das darf uns dann keiner nehmen.

Beste Bedingungen für Industrie und Politik uns Dinge einzureden, die kein Mensch braucht und die uns sogar schaden. Essstörungen, Süchte und erschreckende Krankheitsraten sind die Folge. Politik und Wirtschaft haben kein Interesse das zu ändern und werden es folglich auch nicht angehen. Wir sind auf uns selbst angewiesen. Wir müssen lernen uns selbst zu lieben und wieder spüren, was wirklich "gut" ist für uns. Fühlen wir uns wirklich gut nach dem dritten Stück Sahnetorte? – Wenn ja, dann nur deshalb, weil wir uns eingeredet haben, dass wir uns jetzt "was Gutes" tun. Unser Körper erzählt uns etwas anderes, er schreit laut um Hilfe, aber niemand hört es, am wenigsten wir selbst.

Wie zum Kuckuck also, kann ich die "falschen" von den "richtigen" Anreizen unterscheiden? Es gibt ein sehr wichtiges Indiz (um beim Krimi-Jargon zu bleiben):  Falsche Verlockungen und Versprechungen sind Ablenkungen von dem was ich wirklich brauche. Da krieg ich nur "was ich will" und habe hinterher ein Loch, ein schlechtes Gewissen. Es füllt mich nicht wirklich aus und deshalb brauche immer wieder mehr und es reicht doch nie.

Wenn ich hingegen bei der bloßen Nennung eines "guten" Anreizes aufblühe, Energie bekomme, in positiven Tatendrang verfalle, wenn ich im Tun in diesem Moment aufgehe, wenn es mich beflügelt, wenn ich das den ganzen Tag, sogar ohne Bezahlung tun könnte und würde, dann folge ich meiner Bestimmung und muss nicht "tun was ich will". Darin besteht der Unterschied. Du fühlst hinterher kein Loch, sondern Erfüllung. Du fühlst dich erfüllt, das war 's, mehr oder was anderes brauchst du nicht. Es ist genug.

Deshalb liebe ich meinen Beruf. Ich könnte das den ganzen Tag tun und es kümmert mich wenig, wie groß mein "äußerlich gemessener" Erfolg ist, denn ich bin wirklich glücklich in dem Moment, wenn ich es tue. Bist du glücklich bei den meisten Dingen die du so täglich tust? Oder hast du dich schon umgebracht, aufgefressen, ersäuft?

In den Märchen stecken die Erfahrungen unzähliger Generationen, die die Zeit überdauert haben, weil sie allgemeingültig und gesellschaftsunabhängig sind. Ich finde Krimis sind eine moderne Form Geschichten zu erzählen, aus denen wir lernen können, unseren Horizont erweitern können. Ich bin sehr froh, in dieser gelungenen Adaption vom Rotkäppchen mitgespielt zu haben. Ich hoffe, diesem Tatort in Freiburg werden noch viele folgen.

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